Nationalpark Harz

Reiseblog - Harz- Wanderer 3
Reiseblog – Harz- Wanderer 3

Vor zwei Wochen habe ich meine Ostseetour abgebrochen und bin von Polen in den Nationalpark Harz gefahren. Anlass war die Einladung zweier Freundinnen, die in Sankt Andreasberg ein Appartement gemietet hatten und eine Woche wandern wollten.

Reiseblog - Harz Wandern
Reiseblog – Harz Wandern

Ich fand einen guten und ruhigen Platz zum Übernachten mit dem Wohnmobil. Morgens fuhr ich dann wenige Kilometer zum Appartement und wir fuhren mit deren Auto zum Wanderstartpunkt.

Reiseblog - Harz- Wanderfreunde
Reiseblog – Harz- Wanderfreunde

Die Wanderungen waren im Schnitt 15 KM lang, mal länger, mal kürzer, mal steiler, mal ebener. Mit dem Wetter hatten wir ausgesprochenes Glück: Es war zwar meist bewölkt, auch oft richtig dunkel, aber es hat kaum geregnet. Das alles während der Flutkatastrophe in NW und RP.

Reiseblog - Harz - Wandern 4
Reiseblog – Harz – Wandern 4

Ich habe während meiner langen Reise, jetzt bereits 5 1/2 Jahre Vieles gesehen. Aber der Harz als Naturerlebnis ist mehr als beeindruckend. Das sucht seines Gleichen.

Reiseblog - Harz - tote Fichten
Reiseblog – Harz – tote Fichten

Ich fing 1983 meine Ausbildung im Harz an und war hier viel in der Natur unterwegs. Damals war der Harz ein für mich überwiegend eintöniger Nadelwald mit fast ausschließlich künstlich gepflanzten Fichten.

Reiseblog - Harz - Wandrer 2
Reiseblog – Harz – Wandrer 2

Der Baumbestand des Harzes fiel dem Bergbau vor 200 – 300 Jahren zum Opfer. Im 1800 Jahrhundert kam man dann auf die Idee, den Wald künstlich mit Fichten aufzuforsten, eine reine Monokultur.

Reiseblog - Harz - Wandrer 3
Reiseblog – Harz – Wandrer 3

Wer ein wenig in der Schule in Biologie aufgepasst hat, der weiß, dass Monokulturen immer besonders gefährdet sind und besonderer Pflege durch den Menschen bedürfen.

Reiseblog - Harz Pilz
Reiseblog – Harz Pilz

So kam es, wie es kommen musste: In den 70er Jahren machte der Borkenkäfer (politisch korrekt müsste es „Borkenkäfer- #innen“ heißen – wer sich so einen Unsinn ausdenkt…) von sich reden.

Reiseblog - Harz - Wanderer
Reiseblog – Harz – Wanderer

Der kleine Schelm trat in übermäßigen Zahlen im Harz auf, weil dort seine Lieblingsspeise stand: Fichten. Diese wiederum waren geschwächt, da die typischen Abwehrmechanismen eines gesunden Mischwaldes mit verbliebenem Totholz nicht funktionierten.

Reiseblog - Harz - Urwald
Reiseblog – Harz – Urwald

Alles Totholz, welches extrem wichtig für einen gesunden Wald ist, wurde sofort ausgeräumt. Viele Feinde des Borkenkäfers verloren ihre Lebensgrundlage.

Reiseblog - Harz - Wandern 2
Reiseblog – Harz – Wandern 2

Und dann kam der Sturm: Im Jahr 1975 oder 1976, ich war 11 Jahre alt, gab es einen recht starken Sturm im Harz. Was passierte könnt ich euch vorstellen. Die angeschlagenen Fichten knickten um wie Streichhölzer.

Reiseblog - Harz - Chef glotzt
Reiseblog – Harz – Chef glotzt

Mein Vater wollte das Spektakel sehen und fuhr nach dem Sturm an einem Sonntag mit mir in den Harz hinauf. Ich erinnere mich, dass ich von dem Anblick der riesigen Flächen zerstörten Waldes erschrocken bin. Es sah so ungewohnt aus, wie eine Mondlandschaft, eine Wüste.

Reiseblog - Harz - Lotte kann nicht mehr
Reiseblog – Harz – Lotte kann nicht mehr

Darüber wurde wochenlang geredet. Und damals schon die typische Angstmache in den Medien: Der Anfang vom Ende, der Wald stirbt. Dazu kam damals dann noch, die Übersäuerung der Böden, welche den Bäumen extra zusetzte. Man sprach davon, die Waldböden zu kalken, um der Übersäuerung entgegen zu wirken.

Reiseblog - Harz - Oderteich 2
Reiseblog – Harz – Oderteich 2

Als kleiner dummer Junge fragte ich mich, wie sie das wohl machen wollen, bei einer so riesigen Fläche Wald. Wenn sie ein Drittel geschafft hätten, waren wir wahrscheinlich schon auf dem Mars und Religion war weltweit per Gesetz verboten.

Reiseblog - Harz - Urwald 5
Reiseblog – Harz – Urwald 5

Einfach unvorstellbar, aber es wurde gemacht.  Zum Teil mit Löschflugzeugen wurde der verbliebene Wald großflächig gekalkt. Aber das zögerte die Katastrophe nur ein wenig hinaus. Die Widerstandskraft der Fichtenbestände im Harz nahm immer weiter ab und bescherte der Holzwirtschaft große Verluste.

Reiseblog - Harz - Oderteich
Reiseblog – Harz – Oderteich

Es kam zu einer Massenvermehrung einer Unterart des Borkenkäfers, welche hauptsächlich Fichten befällt. Dabei muss man anmerken, dass der Borkenkäfer geschwächte Bäume erkennen kann und vornehmlich befällt. Dabei bohrt er sich unter die Rinde des Baumes und legt dort seine Larven ab. Das schwächt den Harzfluss unter der Rinde und der Baum beginnt bei übermäßigem Befall zu sterben.

Reiseblog - Harz - Urwald 4
Reiseblog – Harz – Urwald 4

Irgendwann sind die Verantwortlichen dann zu dem Entschluss gekommen, einen Nationalpark zu gründen und den Wald, soweit möglich sich selbst zu überlassen. Der Harz war damals noch durch die innerdeutsche Grenze in Ost und West geteilt. Zuerst wurde der östliche Teil durch die DDR zum Nationalpark Hochharz ernannt. Und das zwei Tage vor der Wiedervereinigung Deutschlands am 01.10.1990. Dieser Teil des Waldes war angeblich nicht so geschädigt, da sich hinter den Grenzanlagen der DDR eine ca. 20 Kilometer tiefe Sperrzone befand und der Wald daher nicht bewirtschaftet worden war nach dem Bau der Grenzanlagen. Natürlich war Tourismus in dieser Sperrzone verboten. Also keine störenden Menschen.

Reiseblog - Harz - tote Bäume
Reiseblog – Harz – tote Bäume

Am 01.10.1994 wurde dann der Westteil in Niedersachsen liegend ebenfalls zum Nationalpark erklärt. Nun hatten wir zwei Nationalparks im Harz, die es erst im Jahr 2006 schafften, als ein Großer zu fusionieren: Der Nationalpark Harz.

Reiseblog - Harz - Urwald 3
Reiseblog – Harz – Urwald 3

Bei einer Wanderung auf den Achtermann lernte ich auf dem Gipfel einen Wanderer kennen, welcher hier zu Hause ist. Wir redeten über das hiesige Naturwunder, worauf er erklärte, dass es zwei Lager gäbe: Die Befürworter des „sich überlassenen Waldes“ und deren Gegner, welche den Wald bewirtschaften wollten.

Reiseblog - Harz - Achtermannblick
Reiseblog – Harz – Achtermannblick

Die Fronten seien so verhärtet, dass die Gegner immer wieder versuchten, vor Gericht den Nationalpark zu zerstören und wieder in einen Wirtschaftswald zu wandeln. Und das aus rein finanziellem Interesse.

Reiseblog - Harz - abgestorbene Fichten vom Achtermann
Reiseblog – Harz – abgestorbene Fichten vom Achtermann

Dabei wird es immer enger für die Gegner, da sich der Wald ohne Menschenhand extrem erholt hat und das immer deutlicher zu sehen ist. Nach dem Vorbild des Bayrischen Waldes, der schon vor 40 Jahren zum Urwald erklärt wurde. Und das ebenfalls unter großer Kritik und Widerstand der Waldbesitzer.

Reiseblog - Harz - Urwald 2
Reiseblog – Harz – Urwald 2

Bei einem Besuch in einem Informationszentrum des Nationalparks bestätigte mir ein junger Ranger die Rechtsstreitigkeiten um den Wald. Wie bizarr: Der Beweis der Erholung des Waldes liegt vor den Augen, wird aber vor Gericht umstritten, fast schon schizophren. Und wieder mal geht es dabei nur um wirtschaftliche Interessen und nicht um das Wohl von Natur und Tier.

Reiseblog - Harz - überall Wasser
Reiseblog – Harz – überall Wasser

Wie kann man überhaupt einen Wald besitzen? Etwas philosophisch, aber in mir sträubt sich etwas bei dem Wort „Waldbesitzer“. Eine einzelne Person sollte keinen Wald besitzen können, der sollte der Allgemeinheit gehören.

Reiseblog - Harz - Steg mit Lotte
Reiseblog – Harz – Steg mit Lotte

Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für eine positive Überraschung für mich war: Ich fuhr eine Woche zum Wandern in den Harz und bekam ganz Anderes zu sehen, als ich erwartet hatte. Für mich war diese Woche eine ganz außergewöhnliche Woche, einzigartig während der Zeit meines Reisens im Wohnmobil. Meine beiden Mitstreiterinnen konnten meine Lobeshymnen auf diese Natur wahrscheinlich irgendwann nur noch schwer ertragen.

Reiseblog - Harz - Soldatenfriedhof
Reiseblog – Harz – Soldatenfriedhof

Wenn man den Wald von oben sieht, zum Beispiel vom Achtermann, sieht er zum Teil schlimm aus mit all den grauen abgestorbenen Fichten mittendrin. Aber wenn man ihn durchwandert, ist darunter alles grün. Pflanzen, die im Harz ausgestorben waren, sind zurück gekehrt. Luchs, Wildkatze und Wolf sind wieder da. Überall fließt Wasser in kleinen Bächen oder auch Flüssen. Es gibt Hochmoore mit einzigartigen hochspezialisierten Pflanzen wie die Zwergfichte und die Zwergbirke, welche mit extrem wenig Sauerstoff auskommen. Die Wege sind abwechslungsreich und überwiegend gut zu gehen. Zwischen drin steht immer mal eine tote Fichte, aber das Grün drumherum überwiegt. Ich war begeistert.

Reiseblog - Harz - Brocken 2
Reiseblog – Harz – Brocken 2

Unsere Wanderungen fanden alle, bis auf eine von Bad Harzburg ausgehende, ganz in der Nähe ihren Anfangspunkt und führten uns immer um den Brocken herum. Der Brocken ist der höchste Berg des Harzes mit 1141 m Höhe. Er ist eine Attraktion. Auf dem Gipfel gibt es ein Hotel und Gastronomie. Eine Schmalspureisenbahn mit einer richtigen Dampflock lockt Touristen an, die aus dem Tal damit nach oben fahren können.

Reiseblog - Harz - Brocken
Reiseblog – Harz – Brocken

Eine Wanderung führte uns auch auf den Brocken. Das war Pflicht, einmal die Sicht vom Brocken zu genießen. Aber ein Haar in der Suppe: Der Wanderer sucht eigentlich Einsamkeit in der Natur. An unserem Besuchstag war der Gipfel übervoll mit Besuchern, da die Sicht ausgesprochen gut war. Naja, sonst sind uns wenige Menschen in den Zauberwäldern des Harzes begegnet.

Reiseblog - Harz - ehemalige Zonengrenze
Reiseblog – Harz – ehemalige Zonengrenze

Etwas unterhalb des Brockens an einem Wanderwegkreuz befindet sich ein alter Grenzstein der innerdeutschen Grenze. Die Sperranlagen der damaligen DDR sind bis auf Teile des sogenannten Kolonnenwegs völlig verschwunden.

Reiseblog - Harz - ehemaliges Grenzschild
Reiseblog – Harz – ehemaliges Grenzschild

Ich stand hier noch vor vielen Jahren am Ende der Welt vor einem schwerbewachten Zaun. Nun ist es die Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

Weshalb war ich eigentlich in dem Besucherzentrum bei dem jungen Ranger, ich wollte etwas Anderes erfahren: Auf einer unserer Wanderungen bemerkten wir kleine weiße Kügelchen, die in geringer Höher an Grashalmen klebten und fragten uns, was das sein könnte: Ein Parasit oder vielleicht eine Erkrankung? Ich machte ein Foto und wir gingen dumm weiter. Ein paar Minuten weiter saßen zwei Wanderer am Wegesrand. Ich fragte die Beiden, ob sie wüssten, was es mit diesen weißen Kügelchen auf sich hat. Einer antwortete, drei andere Wanderer, welche im Harz lebten, hätten es erklärt. Das sei Schleim von einer bestimmten Schnecke. Ich dachte mir: Komisch, aber nirgendwo ist eine Schnecke zu sehen.

Einen Tag später besuchte ich, wie oben erwähnt, das Besucherzentrum in Sankt Andreasberg. Ich zeigte dem jungen Ranger ein Foto dieser weißen Kugeln. Er antwortete, dabei handele es sich um eine Schaumkugel, in welcher die Schaumzikade Eier ablege und für Nachwuchs sorge. Er zeigte mir Bilder von dem Insekt. Also wieder die Erfahrung gemacht, dass man alles selbst nachlesen sollte.

Ich bin seit drei Tagen wieder in Polen an einem ruhigen Platz an einem Binnensee. In einer Stunde habe ich diesen Artikel fertig und werde dann aufbrechen Richtung Osten und die Stadt Kolberg besuchen. Polen ist Neuland für mich und ich bin gespannt, was mich erwartet…

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